Bundesgerichtshof stellt klar: gutgläubiger Erwerb eines nicht abhandengekommenen Fahrzeuges auch ohne Übergabe des Kfz-Briefs möglich

Sie können im Einzelfall auch Eigentümer auch ohne ausgehändigten Fahrzeugbrief werden
 
Dummheit schützt vor Strafe nicht. So heißt es seit Jahrhunderten und so ist es auch in vielen Fällen. Guter Glaube gepaart mit Unwissenheit können hingegen schützen.
 
Verzweifeln Sie also nicht, wenn Ihnen ein Auto von Betrügern verkauft worden ist, das diesen überhaupt nicht gehörte. Es kann vorkommen, dass nach Ihrem Erwerb die ursprünglichen Eigentürmer den Wagen vom Käufer – in diesem Fall von Ihnen – zurückfordern. Dabei haben Sie dafür bereits Geld ausgegeben und unter Umständen auch gar nichts verkehrt gemacht.

Was geschieht in einem solchen Fall?

Der ursprüngliche Eigentümer und Sie befinden sich in einem Dilemma, denn sowohl er als auch Sie wurden betrogen. Ein Urteil macht es nun den Käufern von Gebrauchtwagen leichter und fordert vom ursprünglichen Eigentümer mehr Beweise. Im September 2022 entschied der Bundesgerichtshof (BGH), dass und wie der ursprüngliche Eigentümer des Wagens belegen können muss, dass der neue Besitzer beim Kauf nicht „gutgläubig“ war, um sein Auto zurückzuerhalten. Das gilt auch, wenn darum gestritten wird, ob ein gefälschter Fahrzeugbrief im Spiel war (BGH Urt. v. 23.09.2022, Az. V ZR 148/21)
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Was bedeutet „gutgläubig“?

„Gutgläubig“ ist ein Begriff aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). § 932 BGB behandelt die geschilderte und für beide Seiten gleichermaßen vertrackte Situation. Danach „wird der Erwerber auch dann Eigentümer, wenn die Sache nicht dem Veräußerer gehört“ – unter einer Voraussetzung: Er muss „in gutem Glauben“ sein. Das wiederum ist nicht der Fall, „wenn ihm bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört“. Das heißt auf gut Deutsch: Völlig naiv darf man sich das Auto nicht verkaufen lassen.

Nach früheren BGH-Urteilen sollte es beim Erwerb eines Gebrauchtwagens zum Beispiel eine Selbstverständlichkeit sein, dass man sich den Fahrzeugbrief zeigen lässt. Wer nicht einmal diese Vorsichtsmaßnahme einhält, müsse sich nicht wundern, wenn er auf Betrüger hereinfällt, hieß es lange Zeit. Aber es gibt noch eine weitere Einschränkung: Der „gutgläubige Erwerb“ ist ausgeschlossen, „wenn die Sache dem Eigentümer gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst abhandengekommen war“.

Das war bei dem hier vorliegenden Fall, dessen Urteil die Runde unter Juristen macht und viele Eigentümer aufscheucht, aber nicht so. Ein Autohaus hatte einen Mercedes ganz regulär geleast, also gewissermaßen auf Zeit gemietet. Nur bekam die Leasinggesellschaft von Mercedes-Benz den Wagen nicht zurück: Besagtes Autohaus verkaufte ihn für 30.800 Euro an einen ahnungslosen Autohändler aus Italien weiter.

Ein Dilemma – Zwei Betrogene fordern ihr Recht

Die große Frage für die obersten Zivilrichterinnen und -richter in Karlsruhe: Wer ist der rechtmäßige Eigentümer? Das Stuttgarter Landgericht hatte den Mercedes der Leasingfirma zugesprochen. Das Oberlandesgericht (OLG) meinte dagegen: Das Auto gehört dem Käufer. So sieht es nun auch der Bundesgerichtshof (BGH), wie die vorsitzende Richterin bei der Urteilsverkündung erläuterte.

Knackpunkt war hier der Fahrzeugbrief oder – wie er heute offiziell heißt – die Zulassungsbescheinigung Teil II. Der Mann, der das Auto für den italienischen Händler abgeholt hatte, sagte, ihm sei eine echt aussehende Zulassungsbescheinigung vorgelegt worden. Die Leasinggesellschaft von Mercedes-Benz, die das Original hatte, stellte das in Abrede. Aussage stand gegen Aussage.

In dieser Situation hatte die Leasingfirma das Nachsehen. Die Richterin erläuterte, bei der Entstehung des BGB habe man sich bewusst darauf geeinigt, dass die Beweislast bei dem liegen soll, der die Gutgläubigkeit bestreitet. Das bedeutet beim Autokauf: Es reicht, wenn der Käufer vorträgt, dass ihm die Bescheinigung gezeigt wurde und er sie überprüft hat. „Dann muss der bisherige Eigentümer beweisen, dass diese Angaben nicht zutreffen“, lautete das Urteil.

In dem im September 2022 entschiedenen Fall hatte das Autohaus den Fahrzeugbrief nur vorgezeigt, ihn dem Mittelsmann aber nicht ausgehändigt. Die Frage war deshalb noch, ob das dem Käufer nicht hätte merkwürdig vorkommen müssen. Das OLG hatte allerdings festgestellt, dass eine solche Verfahrensweise im internationalen Autohandel gängige Praxis sei. Die Papiere würden zurückgehalten, bis die sogenannte Gelangensbestätigung vorliegt, die der Verkäufer aus steuerlichen Gründen benötigt.

Beweislastumkehr – fehlende Gutgläubigkeit muss bewiesen werden

Der BGH hat die Revision der Beklagten (und damit nach der BGH-Entscheidung mittlerweile Ex-) Eigentümerin des Wagens gegen die Entscheidung des OLG Stuttgart abgewiesen. Das italienische Unternehmen sei rechtmäßig Eigentümerin des Autos geworden und könne folglich die Herausgabe des Fahrzeugbriefs verlangen. Der entscheidende Aspekt für den BGH: Die beklagte Eigentümerin konnte keinen Beweis über die fehlende Gutgläubigkeit des italienischen Unternehmens erbringen.

An dieser Beweislastverteilung ändere sich auch nichts, so der BGH, wenn der Anknüpfungspunkt für fehlende Gutgläubigkeit der gegebenenfalls gefälschte Fahrzeugbrief ist. Denn die vermeintlich fehlende Gutgläubigkeit des italienischen Unternehmens müsse die Eigentümerin beweisen. Das italienische Unternehmen selbst müsse als Erwerberin für die Übereignung nur darlegen, dass es sich den Fahrzeugbrief hat vorlegen lassen und diesen entsprechend geprüft hat – dies nennt man sekundäre Darlegungslast. Genau dies hatte aber das italienische Unternehmen nach Überzeugung des OLG Stuttgart hinreichend vorgetragen, woran auch letztlich der BGH revisionsrechtlich nichts zu beanstanden hatte.

In einer solchen Konstellation muss also der ursprüngliche Eigentümer beweisen, dass der gutgläubige Dritte eben nicht gutgläubig gewesen ist. Juristen nennen das eine „Beweislast“

Damit wurde der Fall zivilrechtlich abgeschlossen. Natürlich hat der ursprüngliche Eigentümer gegen den „Betrüger Anfangszeichen oben einen zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch. Ob dieser jedoch realisiert werden kann, ist etwas anderes. Ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gibt es gegen den Geschäftsführer des zwischenzeitlich geschlossenen Autohauses natürlich wegen Betrugsverdachts in über 100 Fällen. Aber das bringt dem Geschädigten das Fahrzeug nicht zurück.

In ähnlichen Fällen war zuvor entschieden worden, dass Gutgläubigkeit beim Erwerber auch vorliegt, wenn ihm nicht der richtige, sondern ein täuschend echt aussehender, gefälschter Kfz-Brief bei der Übergabe des Fahrzeuges mit übergeben worden ist. Ist die Täuschung nur von Fachleuten als eine solche zu erkennen, so ist ein ansonsten ahnungsloser Erwerber nach wie vor gutgläubig, auch wenn er den „richtigen“ Kfz-Brief eben nicht erhält bzw. dieser ihm nicht vorgelegt wird, sondern eben nur der gefälschte. Denn der Getäuschte ging ja davon aus, dass es sich bei dem gefälschten Kfz-Brief um einen richtigen handelte.

Aber: Kein gutgläubiger Erwerb möglich bei Fahrzeugen, die abhandengekommen sind

Wer jetzt anfängt, ein wenig die Übersicht zu verlieren, der sei noch auf folgendes hingewiesen: ein gutgläubiger Erwerb ist nur möglich, wenn das Fahrzeug dem ursprünglichen Eigentümer nicht abhandengekommen ist. In dem hier dargestellten, und auch vom BGH behandelten Sachverhalt war dies nicht der Fall, denn da hatte der ursprüngliche Eigentümer freiwillig das Fahrzeug an den späteren Betrüger herausgegeben. In den Fällen, in dem das Fahrzeug dem Eigentümer gestohlen oder geraubt worden ist, gilt dies alles nicht. An einem solchen Fahrzeug kann auch ein Dritter, der gutgläubig ist, kein Eigentum erwerben. Aber darüber werde ich an anderer Stelle noch demnächst etwas mehr schreiben.

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