Polizei darf zwangsweise Fingerabdrücke abnehmen und damit Mobiltelefone entsperren

Handy-Daten besser durch Passwörter und Mustercodes schützen! Das Handy ist vielen engster Weggefährte, manchen so nah wie ein eigener Körperteil. Für einige hat es den Wert eines ausgelagerten Gehirns. In jedem Fall ist das Mobiltelefon etwas Persönliches, das wir vor dem Zugriff anderer schützen möchten, unser ganz privates Eigentum. Droht es durchsucht zu werden, wehren wir uns. Denn alle Daten einzusehen hieße, wir sind völlig bloßgestellt. Davor versucht das Grundgesetz nach wie vor die Menschen zu schützen.

Neuer Beschluss des Landgerichts Ravensburg

Nimmt die Polizei beispielsweise einen Beschuldigten fest und fordert von ihm, den Handy-Pin zu nennen, muss dieser der Aufforderung nicht nachkommen. Man darf sich weigern. Insofern sind die Daten auf dem Mobiltelefon sicher. Auch darf die Polizei bislang nicht verlangen das Entsperrmuster für das Mobiltelefon herauszugeben. Es gilt der Grundsatz, dass niemand sich selbst belasten muss bzw. niemand verpflichtet ist, an seiner eigenen Überführung mitzuwirken.

Allerdings kann die Polizei laut einem Beschluss des Landgerichts Ravensburg (LG Ravensburg, Beschl. v. 14.02.2023 – Az.: 2 Qs 9/23) den Fingerabdruck eines Tatverdächtigen abnehmen, um dann in einem nächsten Schritt Prints mit dem biometrischen Material anfertigen zu lassen und diese zum Entsperren des Handys mit Fingerprintsperre zu nutzen – sofern es für das Strafverfahren notwendig und angemessen ist. Um sich Schwierigkeiten zu ersparen, wird geraten, die Fingerabdrucksperre zu deaktivieren und auf althergebrachte Passwörter/Pins zurückzugreifen.

Fingerabdrucksperre wurde aufgehoben und auf Daten zugegriffen

Der Hintergrund für diesen Beschluss war folgender Fall: Als ein Beschuldigter sich weigerte, vor den Augen der Ermittler sein Handy zu entsperren, ließen diese sich eine entsprechende Anordnung durch einen Ermittlungsrichter geben und nahmen dem Verdächtigen daraufhin im Rahmen einer erkennungsdienstlichen Behandlung gemäß § 81b Abs. 1 StPO Fingerabdrücke ab. Diese erlaubten es der Polizei schließlich, die Fingerabdrucksperre zu aufzuheben und auf die Daten zuzugreifen. Der Beschuldigte sah sich ungerecht behandelt und legte Beschwerde vor dem Landgericht Ravensburg ein. Der dortige Richter hielt die Vorgehensweise der Ermittler jedoch für zulässig. Der Beschluss hatte Bestand, obwohl sich der Richter auf eine Vorschrift aus der StPO bezog, die geschaffen worden war, ehe es Smartphones mit biometrischer Authentifizierung gab.

Auch von IT-Experten und Juristen wird der richterliche Beschluss als problematisch eingeschätzt. Der Fingerabdruck sei ein Authentifizierungsmerkmal und werde er gegenüber dem Telefon präsentiert, werde das Gerät über die Identität der Nutzenden getäuscht. Der Fall sei nicht bis zu Ende gedacht, kritisieren IT-ler und Rechtsanwälte, denn es ergeben sich aus dem Urteil verschiedene Fragestellungen, wie zum Beispiel: Darf die Polizei – wenn sie schon Fingerabdrücke zwangsweise zum Entsperren eines Handys abnehmen darf – Textnachrichten vom entsperrten Smartphone senden und sich als Besitzer ausgeben? Oder gar: Darf die Polizei auf Dokumenten sichergestellte Unterschriften des Verdächtigen nutzen, um Informationen von Banken oder Unternehmen anzufordern, falls die Beschuldigten nicht kooperieren und nicht freiwillig Auskunft erteilen?

Wenn Sie Fragen zu diesem Thema haben und unsicher sind, was Sie gegenüber Polizei und Staatsanwaltschaft preisgeben sollen oder müssen, wenden Sie sich gerne an den Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht Jürgen Schillig. Er informiert Sie gerne über neue Entwicklungen in der Rechtsprechung

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