Wenn ich nur geschwiegen hätte....
Reden ist Silber, Schweigen ist Gold – Teilschweigen bedeutet Verurteilung
„Alles, was Sie sagen, kann gegen Sie verwendet werden!“ Diese Redewendung, wenn ein Verdächtiger von der Polizei festgenommen wird, kennen wir alle aus US-amerikanischen Krimiserien.
Nicht ganz so knapp und martialisch wie beim Film und scheinbar bei Verhaftungen in den Vereinigten Staaten geht es im deutschen Strafprozessrecht zu. Aber auch Deutschland muss die Polizei einen Beschuldigten ausdrücklich darauf hinweisen, dass er das Recht hat zu schweigen. Ein solches Recht hat jeder Beschuldigte und solange er sich darauf beruft, kann dies nicht gegen ihn verwendet werden. Denn niemand ist verpflichtet, an seiner eigenen Verurteilung mitzuwirken oder sich selbst anzuklagen. Der Jurist verweist dabei auf den altrömischen Rechtssatz „Nemo tenetur se ipsum accusare“. Das bedeutet so viel wie „niemand ist dazu verpflichtet, sich selbst anzuklagen“. Dies ist die Grundlage eines jeden Strafprozesses.
Im Umkehrschluss heißt das, dass der Beschuldigte Aussagen zur Sache machen kann, die dann aber (so genau erläutert die Polizei das jedoch nicht) gegen ihn verwendet werden können.
Was bedeutet Teilschweigen?
Was aber, wenn sich der Beschuldigte oder (in einem späteren Verfahrensstadium) der er als Angeklagter entschließt, zu einem Teil der Vorwürfe gegen ihn etwas zu sagen und zu einem anderen Teil weiterhin zu schweigen?
Die Juristen nennen eine derartige Vorgehensweise ein „Teilschweigen“. Nach dem eingangs Gesagten sollte so etwas möglich sein, ohne dass der Angeklagte negative Folgen zu befürchten hat. Die Folgen für den Angeklagten sind in solchen Fällen des Teilschweigens aber meist viel nachteiliger, als man vermuten würde.
Schweigt der Beschuldigte zu wesentlichen Teilen des Tatgeschehens und äußert sich zu Details, dürfen dennoch – so beurteilt das die Überzahl der rechtssprechenden Juristen – nachteilige Schlüsse zulasten des Angeklagten hinsichtlich des gesamten Tatvorwurfes gezogen werden. Eben auch dann, wenn der Beschuldigte zu ganz anderen Punkten des Tatvorwurfs Aussagen gemacht hat.
Für viele klingt das in Hinblick auf das zu Beginn dargestellte fundamentale Recht des Angeklagten, schweigen zu dürfen, unlogisch und ungerecht.
In Einklang mit dem 3. BGH-Strafsenat sieht die herrschende Meinung der juristischen Fachliteratur und betrachten große Teile der Rechtsprechung dies jedoch anders, wenn der Beschuldigte nur in gewissen Teilpunkten Aussagen tätigt, über andere Punkte aber schweigt oder auf einzelne Fragen nicht oder nicht ausreichend antwortet. Dieser Fall des sogenannten teilweisen Schweigens dürfe demnach bei der Beweiswürdigung für den Angeklagten nachteilig berücksichtigt werden.
Also: Ganz oder gar nicht schweigen
Begründet wird dieses (für den Angeklagten) nachteilige Berücksichtigen des teilweisen Schweigens vor allem damit, dass sich der zu einzelnen Fragen schweigende, zu anderen Punkten jedoch frei äußernde Angeklagte aus freien Stücken selbst zum Beweismittel mache, indem er trotz vorheriger Belehrung über sein Recht zu schweigen bestimmte Sachverhaltsangaben unterbreite und zugleich einzelne Fragen offenlasse.
Eine derartige Argumentation sehen viele Fachleute aber kritisch. Vor allem aber geht mit einem solchen Verständnis der rechtlichen Folgen des Teilschweigens, wie sie die Rechtsprechung oft ausübt, ein teilweises Entwerten des Schweigerechts einher, indem sie den Angeklagten bei seiner Aussage vor die Alternative stellt, entweder vollumfänglich oder gar nicht auszusagen. Der Angeklagte ist also eigentlich vor die Wahl gestellt, „ganz oder gar nicht“ zu schweigen.
Diese Zwangslage wird für den Angeklagten noch unangenehmer, wenn er bereits etwas zum Tatvorwurf geäußert hat und nunmehr Angst haben muss, dass diese Aussage, so gering und unwichtig sie auf den ersten Blick auch zu sein scheint, das Gericht nun berechtigt, hinsichtlich seines Schweigens auch für ihn nachteilige Schlüsse bei der Beurteilung der tatsächlichen Situation ziehen darf und er deswegen dann in vollem Umfang Aussagen zur Sache macht, obwohl er dies ursprünglich gar nicht wollte.
Auch wenn dieser Streitpunkt in der Rechtsprechung und in der juristischen Fachliteratur noch lange nicht ausdiskutiert ist, wird ein erfahrener Strafverteidiger seinen Mandanten immer dazu raten, im Zweifel erst einmal gar nichts zu sagen, anstatt Gefahr zu laufen, durch ein Teilschweigen eine negative Beurteilung durch das Gericht auch hinsichtlich der Punkte zu riskieren, zu denen er geschwiegen hat.
Wenn man schon in einer Situation ist, in der die prozessuale Lage es geboten erscheinen lässt, eine Aussage zu machen, so sollte diese mithilfe eines erfahrenen Strafverteidigers (oftmals schriftlich) vorbereitet und den Ermittlungsbehörden oder dem Gericht gegenüber überlegt und präzise vorgetragen werden.
In Krimis sieht man allerdings leider immer wieder Beschuldigte, die frank und frei vor den Polizeibeamten ihr ganzes Leben ausbreiten, obwohl ein Anwalt neben ihnen sitzt. Aber solche Szenen gibt es eben nur im Fernsehen.
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Rechtsanwalt Jürgen Schillig, unter anderem auch Fachanwalt für Strafrecht.