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Warnung: Vorsicht beim Verschicken von Kinderbildern!

Verschärfte Strafe für Kinderpornografie: Gut gemeint ist noch nicht gut gemacht

Hat man bei Ihnen auf dem Handy verdächtige Fotos gefunden, die Kinderpornografie vermuten lassen könnten? Oder haben Sie zweifelhafte Bilder per whatsapp herumgeschickt? Falls Sie in Klassenchats Ihrer Töchter und Söhne kinderpornografisches Material entdecken, sollten Sie diese nicht zur Warnung oder Prüfung an den Elternchat oder andere Lehrer:innen weitersenden.

Freiheitsstrafe wegen des Besitzes kinderpornografischer Bilder

Damit machen Sie sich strafbar und die Empfänger Ihrer Nachrichten gleich mit, wenn diese die Bilder nicht sofort löschen. Das kann nicht sein, sagen Sie sich? Es ist aber so.

Der Besitz und die Verbreitung kinderpornografischen Materials wurden von der großen Koalition aus SPD und Union 2020 vom Vergehen zum Verbrechen hochgestuft, und ein solcher Fall kann dann daher nicht mehr nach § 153 StPO wegen Geringfügigkeit eingestellt werden. Diese Einschätzung gilt erst einmal unabhängig davon, was derjenige oder diejenige mit dem Versenden der Bilder bezweckt hatte.

Grund dafür, dass § 184b Strafgesetzbuch (StGB) kein Vergehen mehr ist, sondern grundsätzlich ein Verbrechen, war das Bekanntwerden tragischer Fälle von Kindesmissbrauch in Deutschland. Deshalb nahm man sich – auch auf öffentlichen Druck – das StGB vor und stellte in einem Reformpaket neben sexuellen Handlungen an Kindern mit Körperkontakt auch die Verbreitung und den Besitz kinderpornografischer Inhalte unter Strafe. Mindestfreiheitsstrafe ist nach dem Verschärfen des Gesetzes nun ein Jahr, auf einen minder schweren Fall wurde im Gesetz verzichtet. Eigentlich eine gute Sache. Aber gut gemeint ist hier noch nicht gut gemacht.

Widerstand gegen das Gesetz in Politik und Justiz

Nehmen Sie gegen Sie vorgebrachte Vorwürfe nicht auf die leichte Schulter, auch wenn Sie sich unschuldig fühlen und es „nur gut gemeint haben“. Denn aufgrund der Gesetzesänderung werden keine großen Unterschiede gemacht, ob jemand ein Bild weiterleitet mit dem Ziel, andere zu warnen und Beweise zu sichern oder aber Tausende von pornografischen Kinderbildern produziert, konsumiert und vielleicht sogar kommerziell verbreitet.

Gegen diese undifferenzierte Gleichstellung aller Tatvarianten wehrt man sich allerdings mittlerweile in Politik und Justiz vehement.

Die Mehrheit der Justizminister der Länder will erreichen, dass die Reform zumindest in Teilen wieder rückgängig gemacht wird. Aus ihrer Sicht sollte der Bund korrigierend eingreifen. Die Reform, so die Justizsenatorin Anna Gallina aus Hamburg, sei „schlicht an der Praxis vorbei.“ Es müsse dafür gesorgt werden, dass dieser Straftatbestand so schnell wie möglich überarbeitet wird, damit die Justiz alle Fälle in diesem Bereich effektiv bekämpfen und angemessen sanktionieren kann.“

Auch NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Die Grünen) kritisiert die „unterschiedslose Behandlung aller denkbaren Formen des Umgangs mit kinderpornographischen Inhalten“. Sie führe in der Praxis teilweise zu unhaltbaren Ergebnissen. Wenn Eltern oder Lehrerinnen und Lehrer kinderpornographisches Material aus dem Verkehr ziehen und dadurch selbst zu Angeklagten vor Gericht werden, dann könne das nicht richtig sein.

Konkret soll § 184b Strafgesetzbuch (StGB) wieder vom Verbrechen zum Vergehen zurückgestuft werden. Alternativ könnte auch eine Regelung für minderschwere Fälle vorgesehen werden. Das Bundesministerium der Justiz, so hieß es Ende 2022, werde den von den Justizministerien der Länder auf der Herbsttagung gefassten Beschluss zügig und sorgfältig prüfen.

Eingeleitete Verfahren können nicht einfach so eingestellt werden

Widerstand gegen die von Christine Lambrecht verantwortete Gesetzesnovelle regte sich nicht nur in den Justizministerien der Bundesländer. Schon ehe das Gesetz in Kraft trat, hatten der Deutsche Richterbund und viele Strafverteidiger davor gewarnt, dass damit den Ermittlern ein flexibles Instrumentarium aus der Hand genommen werde, um Verfahren unter bestimmten Umständen auch einzustellen – so wie beispielsweise in den Fällen, wo Eltern sich via whatsapp-Chats zu einem Vorfall beraten und dabei als Beleg ein Bild mitsenden. Das An-sich-Nehmen kinderpornografischen Materials, z.B. durch Erzieher:innen, auch wenn es beim Besitz nicht auf den Inhalt selbst ankommt, gilt nach dem Reformgesetz als Verbrechen.

Die Unverhältnismäßigkeit des § 184b StGB hat auch einen Amtsrichter am Amtsgericht München dazu veranlasst, die Strafnorm dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorzulegen. Die Bewertung des Amtsrichters lautete, dass der Gesetzgeber „bei der Änderung…weit über das Ziel hinausgeschossen“ sei.

Hoffnung für Angeklagte

Hält das Bundesverfassungsgericht den verschärften § 184b StGB für verfassungswidrig, ist er insoweit nichtig. Dann könnten Verfahren wiederaufgenommen werden, wenn es auf seiner Grundlage zur Verurteilung wegen Kinderpornografie gekommen sein sollte. Bis dahin dauert es aber noch eine Weile. Und es wäre fahrlässig, sich nur darauf zu verlassen, dass das Bundesverfassungsgericht hier tatsächlich die momentan geltende Norm als verfassungswidrig einschätzen wird.

Haben Sie Fragen zu diesem Thema oder benötigen Sie rechtliche Beratung/Strafverteidigung hinsichtlich dieser Aspekte?

Wenden Sie sich an Rechtsanwalt Jürgen Schillig, unter anderem auch Fachanwalt für Strafrecht.